Am 23.2. 2023 fand erneut eine Kooperationsveranstaltung des Geschichtsvereins Memor und des Gymnasiums Gernsheim statt. Norbert Sachse, der ungeachtet aller Konsequenzen furchtlos gegen das SED-Regime als Jugendlicher protestierte, berichtete von seinen Erlebnissen in der Stasihaft, von unrechtmäßigen Gerichtsverfahren, von Aufsehergewalt und von seiner Unbeugsamkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber dem von der SED verübten Unrecht. Nachdem Sachse seine Stasi-Akte durch die Gauck-Behörde (BStU) erhalten hatte, schrieb er 2017 ein persönliches und bewegendes Buch über seine Jugend und die prägenden Erfahrungen im Gefängnis.
Der 1953 in Zschopau bei Chemnitz geborene Norbert Sachse geriet als 17-jähriger Berufsschüler in Stasihaft, nachdem eine Flugblattaktion in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) fehlschlug. Aus einem kommunistischen Elternhaus kommend ertrug er die sowjetische Niederschlagung des Prager Frühlings nicht und wollte in seiner Schule dagegen protestieren.
Er wurde wegen „staatsfeindlicher Hetze“ verurteilt und erlebte daraufhin eine Odyssee durch 11 verschiedene Haftanstalten der DDR, darunter das Jugendzuchthaus Festung Torgau, der „Rote Ochse“ in Halle an der Saale, das Gefängnis Cottbus, die Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen, die Haftpsychiatrie Waldheim und die Haftanstalt Bautzen II. Nach einer überraschenden Amnestie kam Sachse mit 18 Jahren wieder frei, woraufhin gleich drei Ausreiseanträge abgelehnt wurden aufgrund seines jungen Alters, was ihn zu einer spektakulären und sehr gefährlichen Aktion verführte: eine fingierte Selbstverbrennung auf dem Berliner Alexanderplatz nach dem Vorbild des Tschechen Jan Pallachs.
Die Hilfe des Rechtsanwalts Dr. Vogel führten 1975 schließlich zu seiner Freikaufung durch die Bundesrepublik. Insgesamt verbrachte Sachse über 4 Jahre in Haft. Nach seiner Freilassung lebte Sachse in Göttingen, Palma de Mallorca, München, Bad Kissingen und Heidelberg, ist verheiratet und hat zwei Töchter.
Foto: Harald von Haza-Radlitz