Am 23. Juni hatten unsere Oberstufenschülerinnen und -schüler erneut die Möglichkeit, einen ideologisch durchdrungenen Kinofilm aus der Zeit des Nationalsozialismus zu sehen und zu beurteilen. Diese Tradition besteht am Gymnasium Gernsheim seit vielen Jahren und wird stets sehr positiv aufgenommen. Dieses Mal ging es nach Biblis in die „Filminsel”, wo der das Kino betreibende Verein so freundlich war, uns als Gäste zu empfangen. Organisiert wurde der Kinobesuch von der Geschichtslehrerin Tina Nieter.
Ziel der Veranstaltung ist es, den Schülern zu verdeutlichen, wie die Nationalsozialisten ihre Ideologie über Kinofilmen verbreitet haben und wie Unterhaltungsmedien gezielt zu politischen Zwecken missbräuchlich genutzt wurden.

Der gezeigte Film „Jud Süss” aus dem Jahre 1940 ist ein so genannter Vorbehaltsfilm. Er ist in Deutschland nicht frei verfügbar und darf nur gezeigt werden, wenn er durch geschultes Fachpersonal der Friedrich-Murnau-Stiftung eingeordnet und kritisch analysiert wird. Der Mainzer Filmwissenschaftler Arndt Klingelhöfer leitete daher die Vorführung in Biblis. Er informierte vorab allgemein über die Bedeutung von Unterhaltungsfilmen für das NS-Propagandaministerium. Im Anschluss an die Filmvorführung analysierte er zusammen mit den Schülerinnen und Schülern die zahlreichen im Film verwendeten Propagandamittel.

 
„Jud Süß“ war mit ca. 19 Mio Zuschauer ein sehr erfolgreicher Unterhaltungsfilm. Er wurde dazu eingesetzt, um im Sinne der NS-Ideologie die Bevölkerung zu indoktrinieren und rassistische, sowie antisemitische Ressentiments zu schüren. Ziel war es also, die Bevölkerung gegen Juden aufzuhetzen und somit die Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung zu „unterstützen”. So wurde der Film u.a. auch dem Aufseher-Personal von Konzentrationslagern gezeigt.
Der Film erzählt eine verfälschte Biografie der historischen Person Joseph Süß Oppenheimer – verfälscht im Sinne der politischen Zielsetzungen der NSDAP: Oppenheimer wird vom württembergischen Herzog Karl Alexander an seinen Hof berufen, um dessen maßlosen Lebensstil zu finanzieren. Oppenheimer nutzt seine Position, um den Judenbann aufheben zu lassen, woraufhin viele Juden nach Stuttgart kommen. Als tugendhafte Gegenbilder zum verschwörerischen Oppenheimer werden im Film der loyale Vorsitzende der Landstände Sturm, dessen unschuldige Tochter Dorothea und ihr mutiger Verlobter Faber vorgestellt . Als Oppenheimer sich Dorothea auch sexuell nähert, tritt sein gewissenloser und gewalttätiger Charakter zutage. Die Ruchlosigkeit und Intriganz Oppenheimers haben die Filmemacher frei erfunden, historische Belege für diese Erzählung existieren keine. Der Hass und die Abscheu gegen die Hauptfigur des Films wächst beim Zuschauer immer weiter an und mündet letztlich im offenen Aufruf zur Lynchjustiz, die vom Publikum frenetisch begrüßt werden soll. Die Parallelen zur Reichspogromnacht vom 9.11.1938 sind dabei kaum zu übersehen.


Genutzte Quellen: 

https://www.murnau-stiftung.de/filmtheater/kinoprogramm/jud-suess (25.6.2022)


https://www.murnau-stiftung.de/sites/default/files/styles/slider_image/public/images/slider/filmbestand1940jud-suess-2.jpg?itok=xcKqv0Ov (25.6.2022)

Andreas Mönk

Kategorien: Schulleben

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